Reicht das?

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In letzter Zeit gewinnen meine Selbstzweifel wieder die Oberhand, deshalb werde ich in meinem heutigen Artikel etwas persönlicher. Schreiben hilft bekanntlich, die inneren Dämonen auf ein realistisches Niveau schrumpfen zu lassen. Los geht’s also:

Ich fühle mich manchmal wie aus der Zeit gefallen, weil ich kaum einen beruflichen Ehrgeiz entwickelt habe. Im Gegenteil, ich fühle mich bei typischen Hausfrauentätigkeiten sogar ausgesprochen wohl. Und das ist mir furchtbar peinlich! Ich liebe es, meine Kinder zu betüdeln, ich koche und backe gern – und ich räume hinterher stets brav auf. Wie an meinem Blog unschwer zu erkennen ist, puzzle ich für mein Leben gern im Garten herum, habe auch nichts gegen das Unkrautjäten und Hühnerstallausmisten. Hin und wieder lackiere ich sogar meine Gartenmöbel neu oder renoviere ein paar Zimmer. Einem klassischen Job gehe ich hingegen nicht nach. Trotzdem bin ich im Großen und Ganzen superzufrieden.

Mir ist allerdings nicht entgangen, dass sich ein jeder über seinen Beruf definiert – und das bereitet mir Kopfzerbrechen: Wenn ich die Wahrheit sage, entwerte ich mich quasi selbst, denn Mutter und Hausfrau ist leider kein respektabler Job. Es ist… nichts. Mein Ansehen auf einer Skala von 1-10? -Eine glatte Null, würde ich sagen.

Hinzu kommt, dass mir das Hausfrauendasein so viel Spaß bereitet, dass ich es überhaupt nicht als Arbeit empfinde. Ich bin total glücklich und liebe mein Leben. Das wiederum beschert mir jedoch ein wahninnig schlechtes Gewissen, denn ich sehe ja tagtäglich, wie ungern meine Kids zur Schule und mein Männl zur Arbeit gehen. Fast jeder klagt über Stress, nur ich hab keinen. Es kommt mir so vor, als müsse man sich auf die ein oder andere Weise quälen, um ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu sein: Das sei eben die Natur der Dinge.

Da ich mich nur selten quälen muss, frage ich mich, ob meine Arbeit vielleicht gar keine Arbeit ist? Andererseits verdienen Erzieher*innen und Babysitter ja auch Geld, Reinigungskräfte ebenfalls. Die müssten wir schließlich bezahlen, wenn ich – genau wie mein Gatte – in Vollzeit arbeiten würde. Es spart also jede Menge Geld, den Haushalt selber zu schmeißen. Darüber hinaus sorgt die klare Rollenverteilung für Harmonie in unserer Beziehung. Wir streiten uns praktisch nie. Eine Win-Win-Situation für uns beide. Aber sooooo oldschool…

Jahrzehntelangen Feminismus trete ich mit Füßen. Das will so gar nicht zu meinem Selbstbild passen.
Meine Mutter hat ihr Leben lang Vollzeit gearbeitet, meine Omas ebenfalls – und ich kann spüren, wie enttäuscht sie von mir sind. Die finanzielle Freiheit genoss für sie stets oberste Priorität. Und tatsächlich brauchten sie sich ums liebe Geld nie Sorgen zu machen. Trotzdem waren sie (mein Vater eingeschlossen) nur am Wochenende gut drauf. Unter der Woche ging man ihnen besser aus dem Weg, so übelgelaunt und fertig wie sie waren.

Wenn ich mich mit jemandem vergleichen müsste, dann wäre das am ehesten Eddie Shitshoveler aus der wunderbar-liebenswerten Serie Miracle Workers. Sein Name ist Beruf und Berufung zugleich: Er schaufelt die Hinterlassenschaften seiner Mitmenschen weg, denn im „Dunklen Zeitalter“, in welchem die Story spielt, wurde das Klo noch nicht erfunden. Natürlich ist sein Job wortwörtlich scheiße. Nichts desto Trotz übt Eddie seine Arbeit mit Hingabe und Freude aus, weil das eben sein Schicksal ist, in das er sich gänzlich gefügt hat. Und – das muss ich ihm lassen – er entwickelt selbst in diesem Job einen gewissen Ehrgeiz. Schließlich will er seine Arbeit gut machen und dafür von seinen Kunden geschätzt werden.

Nicht dass der Eindruck entsteht, Miracle Workers sei eine philosophische Fernsehproduktion, das ist sie nämlich keinesfalls! Neben What we do in the Shadows und The Righteous Gemstones ist Miracle Workers die lustigste Serie, die ich kenne (in letzter Zeit haben wir nur noch urkomische Serien geschaut, muss wohl an der Weltuntergangsstimmung liegen, die uns momentan umgibt).

Nun denn, obwohl die Macher von Miracle Workers wahrscheinlich nicht im Sinn hatten, irgendjemanden zum Nachdenken anzuregen, haben sie das bei mir geschafft. Dank seines ausgeprägten Fatalismus ist mir Eddie ans Herz gewachsen – und ich frage mich ernsthaft, ob man nicht von ihm lernen kann. -Zum Beispiel etwas über Genügsamkeit.

Philosophischer ausgedrückt mit den Worten John von Düffels:

Die Frage, wie lebe ich richtig
Ist aufs Engste verbunden mit der Frage
Was genügt

Das Maß dafür
Wie viel genug ist
Bin ich selbst
Das Wenige muss wesentlich
Für mich sein, mir entsprechen
Niemand sonst

Wenn ich weiß, was mir genügt
Weiß ich, wer ich bin
Wenn mir mein Leben genügt hat
Habe ich das Rätsel gelöst

aus: Das Wenige und das Wesentliche

Die Lektüre seines Stundenbuchs hat mich zwar keineswegs belustigt, aber immerhin beruhigt, denn „genug ist nicht viel – genug ist das Maß, das mir entspricht“.

Ich sollte und könnte wahrscheinlich mehr aus mir machen, aber… wozu eigentlich?

Um mich selbst aufzuwerten? -Oder um mich dafür zu belohnen, dass ich mich gequält habe?

Natürlich bin ich niemandem eine Karriere schuldig bin. Ich habe die Freiheit, ein berufliches Nichts zu sein, sofern ich mir selbst damit genüge. Und trotzdem komme ich mir ungenügend vor. Warum nur?

Ich vermute, dass es dafür unterschiedliche Gründe gibt. Zum einen fehlt es mir an Zugehörigkeit. Ich bin mit Sicherheit nicht die einzige Hausfrau weit und breit – und doch arbeitet jede von uns für sich allein, abgetrennt im jeweils eigenen Zuhause. Man könnte die Mittagspause oder den Nachmittag zusammen verbringen, aber wir wissen ja nichts von der jeweils anderen Hausfrauenexistenz, denn diese wird tunlichst verschwiegen. Welche Hausfrau würde sich schon selbst als Hausfrau outen – und das auch noch in der Öffentlichkeit? Das käme ja dem Eingeständnis gleich, total versagt zu haben.

Frauen sollen schließlich richtig arbeiten. Irgendeinen Brotjob in Vollzeit ausüben, um den Gender-Pay-Gap zu schließen. Und nicht nur das: Wir sollen uns gleich in die Führungsebenen hocharbeiten, damit die Herren an der Unternehmensspitze nicht so einsam sind und zu viel Macht über uns Frauen ausüben. Mag sein, aber machen wir uns nichts vor: Im Prinzip geht es nur um eines, ich soll meinen Teil zum heiligen Wirtschaftswachstum beitragen.

Was mich auf den zweiten Grund für mein Unbehagen bringt: Die unerfüllte Erwartung. Von Kleinauf wurde ich darauf vorbereitet, eines Tages erwachsen zu sein und damit einen Beruf auszuüben, der mich zwingt, den Großteil meiner Lebenszeit außer Haus zu verbringen. Die Frage „Was willst du mal werden?“ begleitete mich meine ganze Kindheit hindurch. Natürlich wurde mir verschwiegen, wie die Arbeitswelt wirklich aussieht – und dass es nicht nur darum geht, eine Tätigkeit gegen Geld auszuüben, sondern sich komplett einzufügen in ein wahrlich sinnentleertes System.
Nichts desto Trotz hat der Staat in mich investiert: Schule und Studium waren nicht umsonst kostenlos. Das Investment hat sich in meinem Fall nicht ausgezahlt. Und, ja, das löst tatsächlich Schuldgefühle in mir aus.


Keine Ahnung, ob es übertrieben ist, aber das Hausfrauendasein kommt mir ähnlich tabuisiert vor wie die Sexarbeit. Beides würde man ums Verrecken nicht angeben im Anamneseboden beim Arzt oder bei der Bank oder in der Schule des Kindes, wenn nach dem eigenen Beruf gefragt wird.

Doch selbst Sexarbeiterinnen kennen sich untereinander. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich mal in der Teeküche des Bordells zusammensetzen und quatschen. Möglicherweise geben sie einander Tipps und Ratschläge. Vielleicht sprechen sie auch ihre Schichten ab, wer weiß? Der Job verbindet sie auf irgendeine Art und Weise. Als Hausfrau aber bist du allein auf weiter Flur. Isoliert.

Insofern bin ich froh, dass ich noch meinen Nebenjob habe, mein ewiges Alibi.

SEO-Managerin oder Content-Creator. Klingt doch gleich viel wertiger als Hausfrau, nicht wahr? Obwohl es im Vergleich zum soliden Aufgabenspektrum des Kümmerns, Putzens und Kochens wahre Bullshit-Jobs sind: Ich erstelle Texte, die auf keinen Fall nach Werbung klingen sollen, in denen ich Links verberge, die die Relevanz der verlinkten Webseite (i.d.R. ein Onlineshop) erhöhen sollen. Dieser Content ist für den menschlichen Leser hochgradig irrelevant, da er weder über Unterhaltungs- noch Informationswert verfügt. Suchmaschinen wie Google sollen sich davon jedoch hinters Licht führen lassen. Nun, ich bin gespannt, wie lange der Algorithmus darauf noch hereinfällt…

Bis es soweit ist, muss ich mir etwas einfallen lassen. Oder ich entwickle endlich das Selbstbewusstsein, das nötig ist, um zu einem Tabu zu stehen. Letztlich geht es im Feminismus ja nicht darum, dem Mann in allen Dingen nachzueifern, sondern um die Entscheidungsfreiheit zu haben, so zu leben, wie man es für richtig hält. So verstehe ich das jedenfalls.

MM


Beitragsbild von Annie Spratt


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4 Kommentare

  1. Zufallsleser

    Du schuldest niemandem irgendetwas. Genieße dein Glück, teile es wo immer möglich und lass deinen Werdegang nicht von Selbstzweifeln bestimmen.

  2. Queen All

    Letztendlich bist du keinem Rechenschaft schuldig und es geht nur auch als Familie etwas an, wie ihr euer Leben gestaltet. Das muss nicht jeder gut finden und solange dir Themen wie Absicherung im Alter usw. nicht völlig fremd sind und ihr da für euch eine praktikable Lösung habt, hast du es womöglich einfach verdammt gut getroffen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich nochmal viel ändert, wenn die Schulzeit los geht und die Kinder irgendwann gar nicht mehr so sehr betütelt werden wollen. Vielleicht findest du dann ein neues Schaffensgebiet. Und bis dahin kannst du dich ja als Künstlerin, Kreative oder Autorin vorstellen, schließlich hast du diesen Blog hier.
    PS: Obwohl wir beide Vollzeit berufstätig sind, schmeißen wir unseren Haushalt selber und streiten uns deswegen auch nicht. Aber dazu erzähle ich demnächst an anderer Stelle mehr 😉

    • Miss Minze

      Danke für deinen lieben Kommentar 🙂
      Du hast Recht, ich habe es echt gut getroffen und weiß das auch, aber ich kann mein Glück trotzdem nicht genießen. Dazu fehlt es mir an Selbstwert, der uns zwar allen von Geburt an innewohnt, aber der trotzdem verdient werden muss. Wir leben nun mal in einer Leistungsgesellschaft. Ohne Fleiß kein Preis oder so…
      Daher grüble ich schon die ganze Zeit, wie es einmal weitergehen wird. Wahrscheinlich werde ich meine Freiberuflichkeit ausbauen, um mehr Geld zu verdienen.
      Du siehst, dem Rechenschaftsdruck entkommt man nicht, auch wenn man’s besser weiß.

      Ich freu mich schon auf deinen Artikel!!!

      LG Anne

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