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Wer abends über die Dörfer fährt, wird den Anblick kennen: Jugendliche in den Wartehäuschen der Bushaltestellen. Mal sind es mehr, mal weniger Jungen und Mädchen, die sich dort zusammenrotten. Zumeist sitzen sie nur da, rauchen, trinken und unterhalten sich. Und man fragt sich als Außenstehender: Warum gerade hier – an der Straße, im unbeheizten Glashäuschen?

Die Antwort liegt auf der Hand: Es gibt keine Alternativen, um ungestört von den eigenen Eltern abzuhängen. Jugendclubs sind nicht jedermanns Sache, Discos und Clubs Mangelware, Parks nicht vorhanden. Und auf Spielplätzen sind Jugendliche schlicht und ergreifend verboten.

Aufgefallen ist mir das zum ersten Mal, als uns der Kinderhasser von Fichtenwalde auf die Mittagsruhe aufmerksam machte. Wie berichtet, haben wir damals um 14.30 Uhr den nächstgelegenen Spielplatz betreten, ohne zu wissen, dass wir bis 15.00 Uhr hätten warten müssen. Dann erst wäre die Mittagsruhe vorbeigewesen. Genaugenommen haben wir damit eine Ordnungswidrigkeit begangen, die in den meisten Gemeinden mit Geldbußen geahndet wird, sofern denn Vertreter des Ordnungsamtes oder der Polizei zugegen sind.

Zumeist steht ein Schild vorm Eingang des Spielplatzes, das auf ebenjene Spielplatzordnung hinweist. Seither ignoriere ich diese Schilder nicht mehr, sondern lese sie mir immer brav durch. Was dort auch festgehalten wird, ist eine Altersbeschränkung:

Je nach Gemeinde sind ausgewiesene Spielplätze in der Regel für Kinder bis 12 oder 14 Jahren zugelassen. Damit soll vermieden werden, dass Spielplätze zum Jugendtreff werden.

Quelle: ARAG

Und tatsächlich sind Jugendliche ja ziemlich anstrengend, insbesondere wenn sie zu mehreren zusammentreffen, laut Musik hören, laut lachen, laut erzählen – und zusätzlich illegale Substanzen zu sich nehmen, im Rausch Glasflaschen zerbrechen, möglicherweise in den Sandkasten kotzen, hinter den Busch pinkeln und was man sich noch so alles vorstellt als Erwachsener. Möchte man das? -Wohl eher nicht.

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Doch einen Jugendlichen per se zur Persona non grata zu erklären, halte ich für grenzwertig, um nicht zu sagen riskant.

Schließlich bieten kleine Gemeinden ihren jugendlichen Einwohnern keine sonstige Plattform, keinen Treffpunkt, nichts. Falls ein Jugendclub existiert, kann man davon ausgehen, dass es dort eine eindeutige Hierarchie gibt, die selbstverständlich vom diensthabenden Sozialarbeiter angeführt wird. Der stellt die Regeln auf, der hat die Aufsicht. Wer gänzlich ohne Überwachung auskommen will, geht halt zur Bushaltestelle.

Ich habe meine Jugend in einem Kaff ähnlicher Größe verbracht. Der Treffpunkt meiner Freunde war stets der Spiel- und Sportplatz. Auch als Teenager saßen wir noch auf der Schaukel oder spielten nebenan Tischtennis. Natürlich hielten wir uns oft bis in die Abendstunden dort auf, erzählten uns was, verhielten uns jedoch leise. Niemand hat sich jemals beschwert, obwohl auch dieser Spielplatz innerhalb eines Wohngebietes lag. Und wahrscheinlich stand auch dort irgendwo ein Schild, das einem Platzverweis für Jugendliche gleichkommt.

Wenn es nur Schilder wären!
Doch es gibt so viele Menschen, die sich auf diese Schilder berufen, um ihr fragwürdiges Recht einzufordern.

Das zumindest erzählte mir kürzlich eine Bekannte hier im Ort. Ihre beiden Töchter wurden regelmäßig von der Polizei nach Hause gebracht, als sie noch Teenager waren. Sie hatten sich schlicht auf eine Bank neben dem Fußballfeld gesetzt, um noch ein bisschen zu quatschen. Nach 20.00 Uhr.

Man muss sich dabei einmal die Anwohner vorstellen, wie sie den Telefonhörer in die Hand nehmen und den Notruf wählen. 110. Was sagt so ein Mensch dann?: Bitte kommen Sie schnell! Da sitzen schon wieder Teenager auf dem Spielplatz!!!

Und dann wird wirklich ein Streifenwagen losgeschickt. Kommt das nur mir grotesk vor?

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Damit die Polizei nicht im Dauereinsatz ist, hat die Gemeinde den Spielplatz des oben erwähnten Kinderhassers übrigens umzäunen lassen und eine Tür eingebaut. Den Schlüssel für diese Tür hat sie dem Kinderhasser in die Hand gedrückt, damit er Punkt 20.00 Uhr abschließen kann.

Man beklagt sich ja furchtbar gerne über das Gebaren der Pubertierenden. Und sie können wirklich unerträglich sein. Aber wenn man diese Welt einmal näher betrachtet, wie sie sich einem Jugendlichen auf dem Lande darstellt, dann offenbart sie sich als ein Ort voller Limitierungen. Die freie Entfaltung des Menschen genießt hier einen sehr geringen Stellenwert.
Insofern ist es kein Wunder, dass – egal, wie viele Anstrengungen Gemeinden an den Tag legen, um attraktiv für Familien zu sein – Jugendliche es nicht erwarten können, in die Großstädte zu fliehen, um frei zu sein.

Bis es soweit ist, treffen sie sich an der Bushaltestelle.

MM



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