Letzter Schultag. M. müsste gleich nach Hause kommen. Ich bin derweil spät aufgestanden und mit Maggie durch den Wald gerannt. Kurz bevor wir unser Zuhause erreichten, mussten wir noch an zwei Herren vom Ordnungsamt vorbei, von denen mich der jüngere eindringlich musterte. Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl, zahlen wir doch keinen Cent Hundesteuer, weil wir Maggie nie irgendwo gemeldet haben. Auf den letzten Metern drehte ich mich immer wieder um: Wenn sie mich verfolgt hätten, wäre ich an unserem Haus vorbeigegangen, und vielleicht an anderer Stelle wieder in den Wald hinein.
Die Gruppentherapie fällt heute aus, weil unsere Therapeutin im Urlaub ist. Sie macht häufig Urlaub, manchmal wochenlang. Zurzeit möchte M. – nach ihrer beruflichen Zukunft befragt – Psychotherapeutin werden, und angesichts des entspannten Lebens meiner Therapeutin kann ich ihr nur dazu raten.
Auch wenn ich es nicht im Plenum aufsagen muss, werde ich unsere wöchentliche Hausaufgabe dennoch machen:
Nenne einen schönen Moment in den vergangenen sieben Tagen.
Eigentlich gab es zu viele schöne Momente, um nur einen herauszupicken: L. hat gestern angerufen und wir haben uns seit langem mal wieder ausgiebig unterhalten. M. hat mir eine Geburtstagskarte geschrieben mit einem wirklich rührenden und liebenswerten Text. Wir haben endlich, ENDLICH ein Blitzerwarngerät gekauft, das mich in den wenigen Tagen seiner Nutzung schon vor der ein oder anderen etwaigen Bußgeldzahlung bewahrt hat. Dieses Jahr bin ich schon dreimal geblitzt worden und dabei nehme ich nur selten das Auto. Mir reicht’s. Außerdem zeugt dieses kleine Gerät von einer ungewohnt schönen Solidarität unter den Autofahrern, hatte ich sonst doch eher das Gefühl, im Straßenverkehr herrsche Krieg zwischen den einzelnen Verkahrsteilnehmern. Ein Dank geht raus an die sich gegenseitig Warnenden! Schade, dass ich keine Apps programmieren kann, sonst würde ich etwas Ähnliches für Schwarzfahrer auf den Markt bringen. Damit auch die finanziell schlechter Bestellten eine Chance haben, Kontrolleuren ein Schnippchen zu schlagen.
Mit T. hatte ich einen superlustigen Abend in einer Schöneberger Cocktailbar, ausgerechnet zum Lesbisch-schwulen Stadtfest, was uns viele unvergessliche Eindrücke beschert hat. Und gestern waren wir in einem Kabarett, bei dem man zwar nicht Tränen lachen konnte, das aber immerhin inspirierend und lehrreich war. Claus von Wagner sinnierte (unter anderem) über die Sinnlosigkeit seines Berufs als Satiriker: Seit 20 Jahren mache er die Leute auf die Klimakrise aufmerksam – ohne dass es einen Wandel im Verhalten seiner Zuschauer gegeben hätte. Die Leute machten einfach weiter wie zuvor. Die Zahl der gekauften SUV’s sei durch die Decke gegangen, immer mehr Leute buchten Kreuzfahrten und Flüge, kaum jemand hätte seinen Fleischkonsum reduziert. Da könnte man schon den Kopf in den Sand stecken. Aber er tut es nicht, er macht weiter. Und am Ende verriet er uns anhand eines Zitats von Vaclav Havel auch, warum:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“
Diese Worte haben mich berührt und beruhigt, denn ich bin aufgewachsen mit einer ganz anderen Überzeugung, nämlich dass die Sinnhaftigkeit eines Unterfangens eng an dessen Erfolg geknüpft ist. Da ich weiß Gott schon wie oft gescheitert bin, hat mich das natürlich arg an mir zweifeln lassen. Insofern, tja, war diese neue Erkenntnis vielleicht der schönste Moment der vergangenen Woche.
MM
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