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Ach, es ist hartes Brot, Mutter von zwei Teenagern zu sein, die auf NICHTS, aber auch GAR NICHTS Lust haben. 

Als die Kinder klein waren, haben wir jedes Wochenende etwas unternommen. Wir waren ständig unterwegs. Man wollte ihnen schließlich die Welt zeigen. Nun jedoch, wo man es nicht mehr für die Kinder macht, fehlt uns Großen manchmal die Motivation.

Das ist natürlich Quatsch, wie wir letztes Wochenende festgestellt haben. Mein Männl wollte unbedingt nach Berlin, um ein Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder zu kaufen, und ich dachte: Joa, spricht eigentlich nichts dagegen. 

Also sind wir mit der überfüllten Regio zum Zoo gefahren und haben das Geschenk im Nullkommanichts im Bikini Berlin abgehakt. Der Rest des Tages konnte daher mehr oder weniger ziellos in Angriff genommen werden. Zunächst sind wir über den Ku’damm nach Schöneberg geschlendert und dort ins Urban Nations Museum gegangen, auch das ein Wunsch des Männls. Von dort aus wollten wir eigentlich zum Potsdamer Platz weiterlaufen, doch zwischenzeitlich kam mir die Gegend so bekannt vor, dass ich mich noch ein Stück weiter Richtung Kreuzberg vortasten wollte. Und tatsächlich kamen wir ziemlich bald dort an, wo ich früher mindestens einmal die Woche unterwegs war: Am Park am Gleisdreieck nämlich. Mittendrin liegt das Beach61, das wir auf meinen Wunsch hin aufsuchten. 

Obwohl es mehr als 10 Jahre her ist, seitdem ich mich dort regelmäßig zum Beachen mit meinen Kumpels getroffen hatte, war das Areal nahezu unverändert. Mit einer Portion Pommes setzten wir uns in die Beach Bar und sahen den Leuten beim Spielen zu. Es war einfach herrlich. Fühlte sich an wie Urlaub. Und dann überkam mich eine Welle der Liebe für diese wunderbare Stadt. Ich wurde förmlich überflutet. 
Selbst wenn die Kinder sich weigern, uns mit ihrer Anwesenheit zu beehren, haben mein Männl und ich uns die Freude an Ausflügen bewahrt. Wir brauchen uns nicht einmal groß den Kopf zu zerbrechen, wohin die Reise gehen soll. Im Zweifel jedes Wochenende ins berauschende, hässliche, wundervolle, stinkende und über alle Maßen vielseitige Berlin

Überhaupt bin ich in letzter Zeit so happy wie schon lange nicht mehr. Eigentlich wollte ich es aus Gründen des Aberglaubens gar nicht aufschreiben (klopfe dreimal auf Holz!). Für den Fall dass ich es wieder vergessen sollte, da ich mich generell schnell an Zustände des Glücks und der Zufriedenheit gewöhne, bis ich sie gar nicht mehr als solche wahrnehme, habe ich mich doch dafür entschieden, es schriftlich festzuhalten. ICH BIN GLÜCKLICH.

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Tatsächlich hat sich nicht allzu viel verändert in meinem Leben, lediglich mein Blickwinkel ist ein anderer. Ich sehe mich selbst nicht mehr so kritisch. Vielleicht ist es in all dem Überschwang, den ich gerade empfinde, etwas hochgegriffen, aber ich glaube, dass ich endlich meinen Frieden mit mir gemacht habe. 

Und das ist ein verdammt gutes Gefühl, bedenkt man, wie schwer ich es mir oft selbst gemacht habe. Denn egal wie gut oder schlecht es für mich lief, unbewusst war ich stets der Überzeugung, eine riesengroße Enttäuschung zu sein. Mein ständiger Begleiter, das Unbehagen, war der Angst geschuldet, zu versagen – in jeder nur erdenklichen Situation. Schuld sind die falschen Glaubenssätze, die mich seit meiner Kindheit begleiten und die ich nun peu à peu versuche durch die richtigen zu ersetzen. Glaubenssätze wie „Ich bin nur dann ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft, wenn ich einen richtigen Job habe“. Richtig im Sinne von angestellt sein. Dabei ist mir das Konzept des Arbeitnehmertums seit jeher zuwider. Ich kann einfach nicht unfrei arbeiten. Die Vorstellung, nicht Feierabend machen zu können, wann ich will, jemanden um Urlaub bitten zu müssen, statt einfach zu verreisen, und bei Krankheit nicht im Bett liegen bleiben zu dürfen, sondern stattdessen zum Arzt rennen zu müssen, um mir eine Krankschreibung zu holen, ist für mich undenkbar. Aus diesem Grund bin ich tatsächlich gezwungen, freiberuflich zu arbeiten, hatte aber stets das Gefühl, den anderen in etwas nachzustehen. Ich bringe dieses Opfer nicht, jemandes Lohnsklave zu sein. Ein großes Opfer. Zu groß für mich. 

Meine Glaubenssätze kennengelernt habe ich in einer Therapie, die schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf meiner To-Do-Liste stand, zu der ich mich aber erst in diesem Jahr durchgerungen habe. Im Winter hatte ich ein für alle Mal genug von meinen diversen Angstneurosen und nun sitze ich einmal die Woche mit einer illustren Truppe zusammen, und wir unterhalten uns über alles, was uns auf dem Herzen liegt.

Oft sind es Themen, die auf den ersten Blick ganz banal klingen, denen aber meistens etwas sehr Erhellendes innewohnt. Ich tausche mich dort mit Leuten aus, mit denen ich andernfalls nie ins Gespräch gekommen wäre, denn es sind stille, zurückhaltende Menschen, die nicht von sich aus auf andere zugehen, den Blick gesenkt halten und lieber zuhören, statt zu reden.

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In der Gruppe aber gilt die Auflage der Psychotherapeutin, dass jeder seinen Beitrag leisten muss. Seinen Redebeitrag. Und so wird Woche für Woche Erstaunliches zu Tage gefördert, denn die meisten sind wahnsinnig reflektiert (eine Folge des stillen Beobachtens). Insbesondere zwei Männer überraschen mich immer wieder. Der eine ist Landwirt, spezialisiert auf Obstbäume und Süßkartoffeln. Er sagt manchmal eine Stunde lang kein Wort und dann fasst er ein Thema in zwei, drei druckreifen Sätzen pointiert zusammen, denen nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen ist.

Oder dieser glatzköpfige, über und über tätowierte, ziemlich prollig aussehende KFZ-Mechaniker, der sich in Therapie begeben hat, weil er seine Eifersucht nicht im Griff hatte. Der gibt manchmal Weisheiten von sich, die so professionell klingen, als sei er studierter Psychologe. Einfach so. Nein, so jemandem habe ich nicht zugetraut, reflektiert und nachdenklich zu sein. Und sehr viel empathischer als ich. Die Gruppe lehrt mich also auch etwas über meine eigenen Vorurteile und korrigiert so manch eine falsche Annahme. 

Einmal mehr muss ich erkennen, wie sehr wir Menschen uns doch gleichen in unseren Sorgen, Ängsten, Freuden und Leidenschaften. In unserer Sehnsucht, anerkannt, geliebt und respektiert zu werden. Weshalb wollen wir uns dann nur so gern voneinander abgrenzen, beweisen, dass wir besser sind als die anderen? 

Höchstwahrscheinlich hätten die Typen in meiner Gruppe eine Antwort auf diese Frage. Vielleicht frage ich sie ja, diese Woche.

MM

Beitragsbild von Qing Zhang @ qinger_zhang


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