Wenn ich Spargel kaufen will, radle ich immer zum selben kleinen Spargelhof in einem unserer Nachbardörfer. Und hinterm Tresen des Hofladens steht immer dieselbe alte Frau mit osteuropäischem Akzent, die mir den Spargel und die Rechnung reicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie einst selbst auf den Feldern arbeitete, um den Spargel zu stechen, nun allerdings körperlich nicht mehr dazu in der Lage ist und deshalb in den Verkauf gewechselt ist. Ob es wirklich so ist, weiß ich natürlich nicht, denn ich habe sie nie auf ihren Werdegang angesprochen. Generell wechsle ich nie viele Worte mit ihr, obwohl ich ein sehr neugieriger Mensch bin.
Man kennt sie nicht, die Leute, die auf den Feldern arbeiten. Man sieht sie nur von Ferne – als anonymen Haufen. Braungebrannte Menschen, die frühmorgens in ausgedienten Linienbussen zu den Feldern befördert werden und abends zu Lidl, bevor die Fahrt an irgendeiner Unterkunft endet. Wo genau sie wohnen, ist mir ein Rätsel. Wie lange sie bleiben und woher sie kommen, weiß ich ebensowenig.
Es ist merkwürdig, dass in Beelitz und Umgebung so sehr dem Spargel gehuldigt wird, aber niemand ein Wort über die Menschen verliert, die das Gemüse aus der Erde holen. Ohne die Erntehelfer gäbe es keinen Spargel. Und trotzdem bleiben sie völlig unsichtbar, als wären sie keine Menschen, sondern nur Werkzeuge, nicht bedeutsamer als der Bewässerungsschlauch, der zwischen den Pflanzen auf dem Boden liegt, oder der Kleintransporter, der die Kisten mit dem Spargel zu den Verkaufsständen karrt.

Kommendes Wochenende erfährt die Lobpreisung des Spargels ihren Höhepunkt, wenn in Beelitz das jährliche Spargelfest gefeiert wird. Kindergartenkinder singen Lieder, Senioren vollführen Line Dance, Vereine stellen sich vor, und selbstverständlich gibt es dann Spargel in allen erdenklichen Variationen zu futtern. Doch die Spargelstecher sitzen nicht mit am Tisch. Man könnte fast glauben, das Gemüse spaziere von selbst auf unsere Teller. Dabei ist es zuvor durch so manch ein ausländisches Paar Hände gewandert (übrigens genauso wie das obligatorische Schnitzel daneben, denn in den hiesigen Schlachthöfen arbeiten schon lange keine Deutschen mehr).
Unsere Spargelkönigin ist natürlich blond und die Frauen, die sich zu ihrer Krönung in die Trachten der Spargelbauern von anno dazumal werfen, feiste Büroangestellte. Was für ein bezauberndes Märchen! Ich frage mich, warum es uns erzählt wird?
Wäre es für uns alle nicht viel spannender und erhellender, die wahren Erntehelfer in den Fokus zu rücken und etwas mehr über sie zu erfahren? Wäre es nicht viel sympathischer (und irgendwie witzig), einen Spargelkönig unter den Männern, die auf den Feldern arbeiten, zu küren?
Die Leute hier wählen zu einem beträchtlichen Teil rechts, was sicherlich viele Gründe hat. Einer davon ist Fremdenhass, der vor allem dann entsteht, wenn man keine Möglichkeit hat, “die Fremden” kennenzulernen. Dabei ließe sich gerade hier so schnell Abhilfe schaffen.
MM
Titelbild von Waldemar
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