Unterstütze Miss Minze & teile diesen Beitrag! Vielen Dank :)

Seitdem ich Hühner habe, bin ich oft mit dem Tod konfrontiert. Erst letzte Woche ist eines meiner Hühner gestorben. Ich war nicht zu Hause. Als ich wiederkam, waren nur noch Federn übrig, und zwar so viele, dass mir der Gedanke kam, das arme Tier ist erst einmal nackig gemacht worden, bevor es verschleppt wurde. Mein Männl meinte, ein Adler sei gekommen und habe es geholt. Dummerweise sei er zu spät in den Garten gelaufen und hätte nichts mehr tun können. Er sah den Greifvogel nur noch abheben und davonfliegen – das Huhn in seinen Krallen. Einmal mehr fragte ich mich, wozu wir einen Hund haben. Der Köter ist wahrhaftig zu nichts nutze. Er liegt 24/7 auf der Couch und döst. Merkwürdig finde ich es allerdings schon, dass sich ausgerechnet ein “Adler” (Habicht trifft es wohl eher, mein Männl übertreibt gern) mein Huhn geholt hat. Seitdem wir hier wohnen, habe ich noch nie einen Raubvogel in unserer Ortschaft gesehen – und dabei schaue ich ziemlich oft in den Himmel, um Vögel zu beobachten. Wo kam er nur her?

Das vom Adler entführte Huhn ist nicht das einzige, das dieses Jahr gestorben ist. Im Frühjahr habe ich bereits drei weitere Hühner verloren, von denen allerdings nur eines gefressen wurde. Die zwei anderen lagen unverletzt (aber tot) im Stall. Ich vermute, sie sind vor Angst gestorben. Diesen Schock haben ihre kleinen Hühnerherzen einfach nicht vertragen. 

Da sich der Vorfall nachts ereignet hat, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, welches Tier in den Stall eingedrungen ist. Man ist ja stets verleitet, den Fuchs zu verdächtigen, aber ich habe schon lange keine Füchse mehr in der Nähe unseres Grundstücks gesichtet. Die Hinterlassenschaften des Marders finden meine Nachbarin und ich jedoch ziemlich häufig in unseren Gärten. Der Nachbar vom übernächsten Grundstück wiederum behauptet felsenfest, ein Waschbär habe sein Gemüsebeet umgegraben. Tatsächlich ist auch mein Männl überzeugt davon, in der Dunkelheit die Umrisse eines Tieres gesehen zu haben, das eindeutig dicker als ein Fuchs und größer als eine Katze gewesen sei. In dieser Zeit  habe ich selber so merkwürdige Geräusche aus dem Garten gehört, dass ich nur noch bei geschlossenem Fenster schlafen konnte.

Dieses Jahr sind also schon vier Hühner gestorben, weiterhin meine Oma und mein Onkel rasch hintereinander. Weder bei ihr noch bei ihm hat sich der Tod vorher groß angekündigt. 2025 scheint ein todbringendes Jahr zu sein. Und es ist noch nicht zu Ende…

Hoffen wir einfach das Beste. 

In letzter Zeit bin ich ganz aufgeregt, denn mein Sohn zieht bald aus – und ich habe mich bereit erklärt, ihm eine Wohnung zu suchen und diese einzurichten. Eigentlich sollte er das selber in die Hand nehmen, aber er hat bislang nichts gefunden. Tatsächlich gestaltet sich die Wohnungssuche schwieriger als ich dachte, selbst in einer von Abwanderung geplagten Stadt wie Cottbus. Denn auch hier sind Einraumwohnungen rar. WGs wollen nur weibliche Mitbewohner oder Leute, die deutlich älter sind als 18, und die Studentenwohnheime sind längst ausgebucht. Für einen 18-jährigen Jungen? Mann? scheint diese Welt Feindesland. Dabei gehört gerade diese Generation zu den liebsten überhaupt! Mein Sohn und all seine Freunde sind so höflich und hilfsbereit und überaus freundlich – ich würde sie am liebsten immerzu knuddeln (wenn sie es denn mögen würden… ).

typische Platte in Cottbus

Es blieb mir also nichts anderes übrig, als eine richtige Wohnung zu suchen. Als ich zum ersten und vorerst einzigen Mal in Cottbus war, gefiel mir die Stadt richtig gut. Allerdings habe ich mir nur das Zentrum angeschaut. Mittlerweile ist mir klar geworden, dass der von renovierten Altbauten geprägte Marktplatz die Ausnahme ist. Zur Regel gehören Plattenbauten, drei Viertel der Stadt scheinen daraus zu bestehen. 

Platten, wohin das Auge blickt. 

Hohe Platten, niedrige Platten, bunte Platten, graue Platten, Platten mit verglasten Balkons (Loggia genannt, wie ich kürzlich gelernt habe) und Platten mit echten Balkons. Eine freie Wohnung zu finden, ist daher keine Kunst. Allerdings standen zum Zeitpunkt meiner Suche ausschließlich 3-Raum-Wohnungen zur Verfügung. Eine davon habe ich mir schon angeschaut (bei meinem zweiten Besuch in Cottbus) und – was soll ich sagen? – deren Standard hat sich (bis auf die Fenster) seit DDR-Zeiten nicht verändert. Das hat mich echt umgehauen! PVC-Bodenbeläge, keinerlei Küchenmöbel (nichtmal ein Herd!), Badewanne, statt Duschkabine, und die Wände sind immer noch nicht energetisch saniert, obwohl viele Platten von außen mittlerweile ganz schick aussehen. Ich habe in meiner Kindheit ja selber in einer Platte gewohnt, zu Studienzeiten nochmal ein Jahr lang. Und schon damals musste ich nach einem Jahr über 1000 Euro Heizkosten nachzahlen, obwohl ich meine Wohnung  keinesfalls in eine Sauna verwandelt hatte. 
Tja, und nun wird Sohnemann in eine solche für ihn völlig überdimensionierte Wohnung, die auch entsprechend kostet, einziehen. So richtig vorstellen kann ich es mir noch nicht. Bleibt zu hoffen, dass er einen Mitbewohner findet…

Steht man in einer solchen Wohnung, fühlt man sich wahrhaftig in die Vergangenheit zurückversetzt. Als wäre die DDR nie untergegangen. 

Hinzu kommt der deprimierende Anblick der schier nicht enden wollenden “Neubaugebiete”. Doch immerhin könnte ein solches Negativbeispiel städtischen Wohnens seinem Studium der Stadt- und Regionalplanung sogar zuträglich sein. Er kann nun nicht nur nachfühlen, wie es ist, in einem Berliner Kiez und in einer typischen Brandenburger EFH-Siedlung zu wohnen, sondern auch in einer – wie heißt es so schön? – vom Strukturwandel betroffenen ostdeutschen Region.

„Ostsee“ nennt sich der geflutete Tagebau bei Cottbus. Immerhin landschaftlich liegt die Stadt wirklich schön.

Der September war voller unvorhergesehener Begegnungen, die äußerst positiv verliefen. Es ist wirklich merkwürdig, manchmal hat man nur mit Arschlöchern zu tun und manchmal laufen einem ausschließlich liebe Leute über den Weg. Ich hatte eine Autopanne und habe mich sehr nett mit dem ADAC-Mann (seinem Akzent nach zu urteilen ein Ukrainer) unterhalten, der mir geholfen hat. Einen Tag später hatte ich gleich nochmal dieselbe Panne und drei polnische Handwerker haben mir im Nullkommanichts Starthilfe gegeben. Ein Typ, den ich hin und wieder beim Gassigehen im Wald treffe, erzählte mir, dass er gern Äpfel isst. Wie schön, schließlich wollte ich meine Äpfel loswerden! Ich brachte ihm welche vorbei und er revanchierte sich ein paar Tage später mit einem halben Kilo frisch gepflückter Steinpilze. Was für ein Deal!

Mehr aus dieser Rubrik:  Augenöffner

Weil mein Auto kaputt war, musste ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Dabei kam ich an einem ziemlich schweren Unfall vorbei. Der Fahrer ist (vermutlich wegen eines Wildwechsels) von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geknallt. Sein Auto war total hinüber. Was für ein seltsamer Zufall, denn um diese Zeit wäre ich normalerweise mit dem Auto dieselbe Strecke entlang gefahren. Vielleicht blieb mir so der Unfall erspart? Seitdem mir das Buch “Das Büro für Vorahnungen” in die Hände fiel, achte ich auf solche merkwürdigen Zusammenhänge (ich bin geradezu abergläubisch geworden!).

Das Büro für Vorahnungen
Das Büro für Vorahnungen, Buch

Nacherzählt wird darin die wahre Geschichte des englischen Psychologen John Barker, der einen Hang zum Paranormalen hatte: Nach einem Haldenabrutsch in Wales, bei dem in den 60er Jahren eine Grundschule verschüttet und nahezu alle Kinder darin getötet wurden, will er wissen, ob diese Katastrophe zu verhindern gewesen wäre, wenn man auf die Prophezeiungen, Visionen und Träume einiger Zeitgenossen gehört hätte. Von diesem Zeitpunkt an sucht er Menschen, die von sich behaupten, derlei Visionen zu haben und analysiert sie. Mit einem Journalisten zusammen gründet er das “Büro für Vorahnungen”, wo er unter tausenden Einsendungen eine Handvoll Menschen in Großbritannien ausmacht, deren Vorhersagen am zutreffendsten sind. Doch nicht nur die Vorahnungen seiner Probanden machen das Buch so faszinierend, sondern auch die Überlegungen zur Wahrnehmung des Menschen, denn tatsächlich antizipieren wir tagtäglich sehr viel mehr als wir wirklich durch unsere Sinnesorgane wahrnehmen. Obendrein ist immer noch nicht abschließend erklärt, was “Zeit” wirklich ist. Für Barker ist die Sache klar: “Die Zukunft ist bereits da. Manche Menschen erhaschen einen Blick auf ihr Schicksal, die allermeisten aber nie.”

Mehr aus dieser Rubrik:  Hackordnung: Welches Huhn bestimmt, wo's langgeht?

Mit 44 Jahren stirbt Barker an einem Hirnaneurysma. Zwei seiner “Visionäre” haben ihm nur zwei Wochen zuvor den Tod vorhergesagt. Das “Büro für Vorahnungen” ist da gerade einmal anderthalb Jahre in Betrieb – und wird wenig später aufgegeben. Schon damals hält die Fachwelt Barkers Theorien für absurd.

MM


Ergänzend ein kurzer Epilog, um nicht mit dem Tod schließen zu müssen: Seit einer gefühlten Ewigkeit war ich – ebenfalls im September – mal wieder im Kino, weil das neueste Werk von P. T. Anderson angelaufen ist. Regisseure merke ich mir normalerweise nicht, P. T. Anderson habe ich mir jedoch eingeprägt, seitdem ich „Magnolia“ gesehen habe, einen Dreistunden-Epos, der mich nachhaltig beeindruckt hat. Ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an einige Szenen des Films denke.

Es lag also auf der Hand, dass ich mir „One Battle After Another“ einfach reinziehen musste. Mit Magnolia hat der Film so gar nichts zu tun, aber von den Socken gehauen hat er mich trotzdem. Im Gegensatz zu Magnolia verfügt er über so einige wirklich skurrile und äußerst komische Szenen, so dass ich trotz der bitteren Thematik häufig lachen musste.

Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von Möchtegern-Revolutionären, eine Art US-Version der RAF, die eine Zeitlang immer wieder Anschläge verübt, bis einer davon gründlich schiefgeht – und die Mitglieder abtauchen müssen. Die Revolution ist gescheitert, aber ihre Nachwirkungen bekommt Protagonist Bob auch 15 Jahre später noch zu spüren… Der Film wird von Kritikern in den höchsten Tönen gelobt, aber, nun ja, ich glaube, er stößt Menschen ab, die kein Herz für Kiffer haben und sich eher rechts als links verorten.

In einer Rezension vom NDR heißt es jedenfalls:

Raus aus der Lethargie, rein in den Revolutionsmodus – auch wenn die Knochen schmerzen und jüngere Aktivisten oft vollkommen anders ticken. So übermächtig das von weißen Nazi-Milliardären unterwanderte Amerika in „One Battle After Another“ auch sein mag – die Botschaft von Paul Thomas Andersons Allegorie der Gegenwart lautet: Aufgeben ist keine Option. Klingt simpel, hat sich als Mantra aber noch nicht durchgesetzt. Und ist deswegen einer von vielen Gründen, warum „One Battle After Another“ der Film der Stunde ist.

An Magnolia kommt P. T. Anderson’s Werk meiner Meinung nach nicht heran, aber der Film zeigt verdammt gut, warum man für Freiheit und Demokratie kämpfen sollte, wenn es darauf ankommt.

Ab ins Kino also!

MM


Unterstütze Miss Minze & teile diesen Beitrag! Vielen Dank :)